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Fachanwalt Arbeitsrecht Hamburg - Wie schnell eine Kündigung wirksam wird


03.09.2012

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte sich als Beschwerdeinstanz mit einem Prozesskostenhilfeantrag zu einer Kündigungsschutzklage zu befassen (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v.16.8.2010, 25 Ta 1628/10):

Der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis des Antragstellers und Beschwerdeführers mündlich gekündigt. Seine Bemühungen um eine “Kündigungsrücknahme” schlugen fehl. Irgendwann verlangte er seine Arbeitspapiere. Schließlich, 7 Monate nach der Kündigung, entschloss sich der Beschwerdeführer doch noch zur Kündigungsschutzklage und stellte dazu einen Prozesskostenhilfeantrag.

Das Gericht wies den Antrag endgültig zurück und erklärte dazu unter anderem:

2. Eine Kündigungsschutzklage, die sieben Monate nach dem Ausspruch einer formunwirksamen, nur mündlich erklärten Kündigung erhoben wird, kann verwirkt sein. Voraussetzung für die Verwirkung ist das Vorliegen eines Zeitmomentes und eines Umstandsmomentes.

3. Der Arbeitnehmer ist nach Treu und Glauben verpflichtet, etwaige Angriffe gegen eine mündliche Kündigung in angemessener Frist vorzubringen. Dem Arbeitnehmer ist eine Überlegungszeit einzuräumen. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 4 KSchG den Gedanken der zügigen Klärung des Streites über den Bestand des Arbeitsverhältnisses aufgenommen.

Einschließlich einer einzuräumenden Überlegungsfrist ist als angemessen ein Zeitraum bis sechs Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung anzusehen.

4. Ein Umstandsmoment für die Hinnahme der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach mündlicher Kündigung kann das mehrfache Verlangen nach der Herausgabe der Arbeitspapiere sein.

Gesetze sind ja ganz nett, sagen aber gar nichts

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses muss schriftlich erfolgen, § 623 BGB. Das ist eine gesetzliche Schriftform, ein Verstoß führt zur Nichtigkeit, § 125 BGB. “Nichtig” bedeutet, dass der mit dem Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg nicht eintreten kann. Ausnahmen sind vereinzelt gesetzlich geregelt. Ansonsten ist der einzige Weg die Neuvornahme, § 141 BGB. Dazu muss das Rechtsgeschäft, hier die Kündigung, nochmals vorgenommen werden, und zwar diesmal unter Wahrung der gesetzlichen Form. Dann gilt das Rechtsgeschäft zwar nicht rückwirkend, aber immerhin ab dem Zeitpunkt der Neuvornahme. Nichts davon war hier passiert. Die Kündigung war offensichtlich unwirksam.

So weit, so klar. Aber was macht das LAG? Interessiert uns nicht, sagt es, was da in den Gesetzen steht. Wir kommen einfach mit der juristischen Wunder- und Allzweckwaffe “Verwirkung”, und damit, mein lieber Arbeitnehmer, bist Du draußen. Selbst schuld, wenn Du meinst, Dir einen anderen Job suchen zu müssen und dafür Deine Papiere brauchst. Na gut, wir geben zu, das Argument ist vielleicht etwas schwach. Deshalb konstruieren wir noch schnell eine ganz allgemeine sechs-Wochenfrist, und die hast Du auf alle Fälle um Monate verpasst. Wenn der Gesetzgeber meint, die dreiwöchige Frist zur Kündigungsschutzklage auf schriftliche Kündigungen beschränken zu müssen, dann schließen wir daraus nicht etwa: Für Kündigungsschutzklagen bei mündlicher Kündigung gilt das also geradezu ausdrücklich nicht, sondern wir sagen einfach: Da kann man mal sehen, Kündigungsschutzklagen sollen also schnell erhoben werden. Passt doch. Wenn nicht, wird es halt passend gemacht.

Etwas komplizierter ist es schon

Die Entscheidung ist, nun ja, schwierig. Nimmt man die Nichtigkeit einer mündlichen Kündigung ernst, könnte der Arbeitnehmer bis zur Grenze der Verjährung – drei Kalenderjahre – Weiterbeschäftigungs- und Lohnansprüche geltend machen. Vielleicht sogar länger, wenn man sagt, diese Ansprüche entstünden laufend neu. Allerdings müsste sich der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst und sogar bloße anderweitige Verdienstmöglichkeiten anrechnen lassen (§ 11 KSchG). Aber gut, das ist eine Frage des Einzelfalls. Das kann für den Arbeitgeber schon hart und im Kleinbetrieb existenzgefährdend sein. Andererseits ist so etwas ganz normal:

Der Mieter muss nach einer unwirksamen Kündigung weiter die Miete bezahlen, egal, ob er inzwischen ganz woanders wohnt. Und wer ist nicht schon einmal daran gescheitert, dass der Lieferant bei einem Abo den Zugang einer Kündigung einfach bestritten hat? Auch hier gibt es dann oft genug eine lange Zahlungspflicht, der keine oder zumindest keine subjektiv werthaltige Gegenleistung entgegensteht. Und das sogar ohne irgendeine Anrechnung.

Richtig ist sicher, dass auch ein Weiterbeschäftigungs- und Lohnanspruch verwirkt werden kann. Aber ging das hier beim LAG Berlin-Brandenburg nicht etwas sehr flott und einfach? Verwirkt man wirklich schon, wenn man sich vernünftig verhält und sich vorsichtshalber nach einer neuen Arbeit umsieht? Und woher nehmen die den Mut und die demokratische Legitimation, einfach eine Sechs-Wochenfrist zu verkünden? Und was soll das eigentlich für eine Treuepflicht sein, die einem Arbeitnehmer auferlegt, dem Arbeitgeber Gewissheit über eine offensichtlich nichtige Kündigung zu verschaffen? So einfach geht das alles sicher nicht. Und der Arbeitgeber hätte eine formwirksame Kündigung nachschieben können. Soll da wirklich alles auf den Arbeitnehmer abgeschoben werden? Und verwirkt soll kann gleich das Klagerecht sein. Wenn überhaupt, hätte man das auch eine Nummer tiefer aufhängen können, bei den Lohnansprüchen, etwa. Da kann man lange drüber nachdenken …

Ob richtig oder falsch: Hauptsache schnell und schriftlich

Praktisch gesehen kann man aber dem Arbeitnehmer nur raten: Schriftlich oder nicht, gegen eine Kündigung muss man schnell etwas machen, sonst kann es schwierig werden. Und dem Arbeitgeber: Wenn Kündigung, dann schriftlich, und der Zugang sollte auch beweisbar sein.

 
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